Nehmen wir an, Sie sind im Supermarkt und möchten Ihre Einkäufe bezahlen. Es sind mehrere Kassen verfügbar und Sie müssen sich schnell für eine entscheiden. Ihre Entscheidung hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab: der Länge der Schlange, der Schnelligkeit der Kassiererin oder der Anzahl der Lebensmittel, die der Kunde vor Ihnen im Einkaufswagen hat. Unser Verstand ist ständig am Abwägen, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Die Entscheidungsfindung wird noch komplizierter, wenn Sie einen weiteren Faktor hinzufügen: Voreingenommenheit.

Lassen Sie uns dieses Szenario nun auf die Welt der Investments anwenden: Sie bewerten verschiedene Anlageoptionen für Ihr Portfolio. Dabei gibt es zahlreiche Elemente zu berücksichtigen: Preis, historische Performance, innerer Wert, Informationen über das Unternehmen und seine Finanzlage (z. B. die Bilanz) und Ihr Zeithorizont. All dies und noch viel mehr kann bei Ihrer endgültigen Entscheidung eine Rolle spielen.

Behavioral Finance ist die Lehre der Psychologie, die Entscheidungen von Investoren beeinflusst. Welche Informationen nutzen Sie, um Investitionen zu tätigen? Haben Sie Regeln aufgestellt, um sich gegen bestimmte Gefühle oder unbegründete Überzeugungen abzusichern? Wir alle sind – ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht – voreingenommen und diese verhaltensbedingten Verzerrungen können unsere Entscheidungsfindung beeinflussen. Wenn wir uns ihrer bewusst werden, können wir bessere Entscheidungen treffen.

Selbst Warren Buffett, einer der bekanntesten und versiertesten Investoren aller Zeiten, ist sich seiner Neigungen beim Investieren bewusst. Er weiss, dass er Menschen braucht, die ihm unterschiedliche Perspektiven präsentieren. Andernfalls bleibt er in seiner eigenen Weltanschauung gefangen. Um seine persönliche Wahrnehmung mit derer anderer zu vergleichen, hat er lautstarke Kritiker zur Jahresversammlung von Berkshire Hathaway eingeladen.

Wie Verzerrungen die Entscheidungsfindung beeinflussen können

In der traditionellen Finanzwelt geht man davon aus, dass Investoren rational sind. Diese Prämisse ist jedoch falsch, da Menschen nicht roboterhaft handeln. Wir alle unterliegen einer begrenzten Rationalität. Wir versuchen, zufriedenstellende Entscheidungen zu treffen, auch wenn es nicht unbedingt die optimalsten sind. Meistens bewegen wir uns in einem begrenzten Rahmen. Diese Einschränkungen umfassen unsere kognitiven Fähigkeiten, Zeitbeschränkungen und unvollständige Informationen oder fehlender Kontext.

In komplexen Szenarien wie beim Investieren nehmen die Verzerrungen tendenziell zu und funktionieren als eine Art mentale Abkürzung. Investoren müssen unzählige Informationen filtern, um die zahlreichen Entscheidungen, die direkt mit Geld verbunden sind, zu rechtfertigen. Voreingenommenheit hilft Anlegern, schneller zufriedenstellende Entscheidungen zu treffen und die Last, die durch das Durchspielen einer Reihe von verworrenen Investitionsszenarien entsteht, zu verringern.

Sich auf inhärente Voreingenommenheit zu verlassen, kann jedoch einen erheblichen Preis haben.

Vielleicht fragen Sie sich, ob es wirklich so kompliziert ist? Es ist schliesslich nur eine Entscheidungsfindung. Wie im Supermarkt-Beispiel treffen wir ständig Entscheidungen. Oft innerhalb weniger Sekunden. Aber ja, es ist leider wirklich so kompliziert wie beschrieben.

Das Wall Street Cheat Sheet hat eine Grafik zur Veranschaulichung des Marktzyklus erstellt, die das Spektrum der Emotionen von Investoren abdeckt. Das in der folgenden Abbildung dargestellte Wellenmuster zeigt, wie vielschichtig die Komplexität sein kann, wenn Sie die Bandbreite der Emotionen berücksichtigen und Kauf-/Verkaufsoptionen, Diversifizierungsmöglichkeiten und andere Strategiekomponenten einbeziehen.

Psychologie eines Marktzyklus: Die bei Marktschwankungen auftretenden Gefühle
Quelle: New Trader U

Ihre eigenen Neigungen können leichter erkannt und beseitigt werden, wenn alles glatt läuft und die Märkte steigen. Aber wenn der Wellenzyklus einbricht, setzt plötzlich Panik ein. Angst trübt unser Urteilsvermögen und wir werden viel anfälliger für kognitive Verzerrungen.

„Das Hauptproblem des Investors – und sogar sein schlimmster Feind – ist wahrscheinlich er selbst.“ — Benjamin Graham, Ökonom und Autor von
The Intelligent Investor

Die häufigsten Voreingenommenheiten, die sich auf unsere Investitionsentscheidungen auswirken

Es sind nicht nur Emotionen, die Vorurteile verursachen und unsere Anlageentscheidungen beeinflussen. Es kommen drei weitere Katalysatoren hinzu: soziale Einflüsse, Selbsttäuschung und ein Konzept namens heuristische Vereinfachung. Letzteres bezieht sich auf Fehler bei der Informationsverarbeitung oder Fehlinterpretationen von Daten. Zusammen mit Emotionen sind dies die vier primären Quellen, aus denen verhaltensbezogene Verzerrungen resultieren.

Wie bei jeder Gewohnheit oder jedem Wissenszweig ist es entscheidend, Schwachstellen zu verstehen, um sie zu überwinden. Laut einer Umfrage des CFA Institute (erstellt aus den Antworten von 724 Fachpersonen aus der ganzen Welt) sind Herdenmentalität, Bestätigung, Selbstüberschätzung, Verfügbarkeit und Verlustaversion die fünf häufigsten Voreingenommenheiten, die sich auf Investitionsentscheidungen auswirken. Wir haben zwei weitere Verzerrungen (Ankereffekt und Reuevermeidung) hinzugefügt, weil sich diese unserer Meinung nach ebenso stark auf die Entscheidungen der Investoren auswirken.

Verhaltensbezogene Verzerrungen und der Grad ihres Einflusses auf Investitionsentscheidungen
Quelle: CFA Institute

1. Herdenmentalität

Herdenmentalität bedeutet, dass Investoren einem Trend folgen, anstatt ihre Entscheidung auf historische oder finanzwirtschaftliche Daten zu stützen. Wir alle haben in anderen Zusammenhängen schon solche Situationen erlebt, beispielsweise an Konzerten oder in Vergnügungsparks, wo wir der Menge gefolgt sind, weil wir den Weg nicht kannten und davon ausgingen, dass sie in die richtige Richtung gehen. In einem finanziellen Umfeld führt dies zu einem fehlgeleiteten Gefühl des Vertrauens in das Handeln der grossen Masse. Herdenverhalten kann auch aus Faktoren wie Zeitdruck, Gruppendenken oder Gruppenzwang resultieren. Es ist sehr riskant, einem allgemeinen Trend zu folgen, anstatt Ihre eigene Sorgfalt walten zu lassen, denn am Ende könnten Sie einen Vermögenswert zu einem hohen Preis kaufen, nur um zuzusehen, wie sein Wert sinkt.

Wie Sie dies vermeiden können

Es gibt sowohl private als auch öffentliche externe Einflüsse, die zum Herdenverhalten beitragen. Zu den privaten Einflüssen gehören Freunde und Familie, während öffentliche Einflüsse die Medien, Social-Media-Influencer oder die allgemeine Marktstimmung umfassen. Unabhängig davon, wie enthusiastisch oder aufrichtig diese Einflüsse sind – sie sind irreführend. Wenn Sie einen plötzlichen Aufwärtstrend bei den Kursen sehen, ist dies ein Grund mehr, den inneren Wert dieses Titels zu prüfen. Trends sind dynamisch. Es ist daher wichtig, ein effizientes System zu entwickeln, mit dem Sie den Wert eines ausgewählten Vermögenswerts überprüfen und so eine fundierte Beurteilung der Marktschwankungen vornehmen können.

Warren Buffetts Ansatz lautet: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“ Andererseits ist es schwierig, in einer Branche, in der jeder Geld zu verdienen scheint, nicht nach Gewinnen zu streben.

2. Ankereffekt

Der Ankereffekt ist die Tendenz, sich auf die erste empfangene Information zu stützen und alle nachfolgenden Angaben oder aktualisierten Daten ausser Acht zu lassen. Wenn jemand Sie beispielsweise fragt, wie hoch der Wert der Credit Suisse-Aktie in sechs Monaten sein wird, sehen Sie sich wahrscheinlich den momentanen Wert an, nehmen die aktuellen Daten als Massstab und geben eine Prognose ab. Nach fünf Monaten wiederholt sich die Frage. An diesem Punkt verankern Sie sich, wenn Sie sich nicht anhand neuer Daten mit den Entwicklungen seit dem Zeitpunkt des ersten Gesprächs beschäftigen. Ankereffekt bedeutet also, dass Sie eine Entscheidung anhand von veralteten Informationen treffen.

Investoren verlassen sich besonders in komplexen Märkten wie Währungen, deren Wert sich ausserordentlich schwer bestimmen lässt, auf dieses Prinzip. Der Ankereffekt macht es einfacher, mit den Entwicklungen Schritt zu halten, ist aber ein gefährliches Unterfangen. Er ist riskant, weil er den inneren Wert der Investition nicht widerspiegelt. Sehen Sie sich stets die aktuellen und relevantesten Daten an, um über das tägliche Geschehen auf dem Laufenden zu bleiben.

Wie Sie dies vermeiden können

Wählen Sie einen methodischen Ansatz, anstatt den Wert eines Assets in sechs Monaten basierend auf den heutigen Daten abzuschätzen. Für das obige Beispiel kann eine Finanzformel wie die Discounted Cash Flow (DCF)-Analyse verwendet werden, die den potenziellen zukünftigen Vermögenswert berechnet. Dies ist weitaus genauer als eine ungefähre Schätzung. Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie wenig oder gar keine Erfahrung im Umgang mit Formeln haben. Für die meisten Szenarien gibt es Finanzinstrumente sowie kostenlose Online-Ressourcen wie Rechner und Schritt-für-Schritt-Artikel. Diese Tools können Ihnen dabei helfen, den grösstmöglichen Nutzen aus den vorhandenen Daten zu ziehen.

3. Selbstüberschätzung

Manche Investoren sind zu sehr von ihren eigenen Fähigkeiten überzeugt. Sie glauben, dass sie – und niemand sonst – Trends erkennen und Anlageszenarien bewerten können. Diese Denkweise wird zum Nachteil, wenn Investoren versuchen, den Markt zu timen. In den meisten Fällen werden sie auf schmerzhafte Weise mit der Realität konfrontiert. Es gilt die alte Redewendung „Der Markt gewinnt immer.“ Zwischen 85 und 96 Prozent der Daytrades erzielen keine Rendite und selbst professionelle Investoren mit Zugang zu den besten Tools und Ressourcen machen ungeheuerliche Fehler.

Wie Sie dies vermeiden können

Neben einer gesunden Portion Bescheidenheit sollten Sie beim Investieren auch bewusst ein offenes Ohr für abweichende Meinungen oder Gründe für einen möglichen Misserfolg haben. Erinnern Sie sich an das Beispiel von Warren Buffett? Er fand jemanden, der Berkshire Hathaway kritisierte und lud diese Person zu seinem jährlichen Treffen ein, um seine Ansicht zu hören. Infolgedessen wurde Buffetts Entscheidungsfindung fundierter und nicht durch seine eigene persönliche Voreingenommenheit eingeschränkt. Sprechen Sie mit Fachleuten, holen Sie Rat ein und bleiben Sie bei passiven Investitionen, anstatt zu versuchen, den Markt zu timen. All dies sind wichtige Möglichkeiten, um eine Tendenz zur Selbstüberschätzung zu vermeiden.

4. Verlustaversion

Investoren neigen häufig dazu, lieber Verluste zu vermeiden, anstatt Gewinne zu erzielen. Verlustaversion und Selbstüberschätzung schliessen sich nicht gegenseitig aus. Seien Sie also vorsichtig, da beide gleichzeitig auftreten können. Ersteres bedeutet, dass Sie zu wenig Risiko eingehen. Das kann sich darin äussern, dass Sie nicht zum richtigen Zeitpunkt verkaufen oder in zu viele ertrags- und risikoarme Vermögenswerte investieren. Diese Verzerrung birgt das Problem, dass Anlegern dadurch lukrative Investitionsmöglichkeiten entgehen können.

Wie Sie dies vermeiden können

Die beste Möglichkeit, Verlustaversion zu vermeiden, ist der Aufbau eines diversifizierten Portfolios. Die Diversifizierung reduziert das Risiko und minimiert Verluste. Mit einer richtigen Diversifizierung ist Ihr Portfolio ausgewogen und Sie können über einen längeren Zeithorizont hinweg ein erhebliches Vermögen aufbauen. Die Diversifizierung bietet Ihnen das Beste aus beiden Welten.

5. Reuevermeidung

Viele Anleger neigen dazu, zu lange an einer Verlustposition festzuhalten, in der Hoffnung, dass der Aufwärtstrend irgendwann wieder einsetzt. Dieses starre Festhalten an einer Buy-and-Hold-Strategie kann sich jedoch auf die Performance des Portfolios auswirken. Es ist wichtig, während eines Kursrückgangs nicht in Panik zu geraten, aber es ist ebenso wichtig (wenn nicht sogar noch wichtiger), ein Verlustszenario zu erkennen und zu wissen, wann man verkaufen muss. Menschen wollen sich nicht eingestehen, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen haben und dies kann zu einer schweren mentalen Blockade führen.

Wie Sie dies vermeiden können

Wie alle in diesem Artikel vorgestellten verhaltensbezogenen Verzerrungen ist die Reuevermeidung ein grosser mentaler Kampf. Niemand möchte Reue empfinden und es kann ein schwerer Schlag für das Ego sein. Deshalb können die Massnahmen, die wir zu ihrer Vermeidung ergreifen, manchmal eine absurde Wendung nehmen. Dem können Sie mit konkreten Investitionsregeln entgegenwirken und sicherstellen, dass Sie Ihre Entscheidungen nicht aus einer Laune heraus treffen. Wenn zum Beispiel ein Vermögenswert einen bestimmten Prozentsatz seines Wertes verliert – verkaufen Sie ihn. Machen Sie keine Ausnahmen. Trennen Sie sich von der Position und vermeiden Sie falsche Hoffnungen. Wenn Sie unsicher sind, kehren Sie zu den Grundlagen zurück und überprüfen Sie die Daten des Unternehmens, um Ihre Parameter zu analysieren.

Wenn der Wert andererseits einen bestimmten Schwellenwert erreicht, setzen Sie Trailing Stops ein. Diese schützen Ihre Gewinne, wenn sich der Preis in eine günstige Richtung bewegt. Schliessen Sie die Position, wenn der Kurs um einen bestimmten Prozentsatz oder Betrag fällt. Diese Art von Tools und Automatisierungen helfen dabei, Emotionen aus Investitionsentscheidungen auszuklammern.

6. Bestätigung

Wir neigen dazu, Informationen so zu filtern, dass sie einer vorgefassten Meinung entsprechen. Wir achten genau auf die Daten, die unsere Überzeugungen bestätigen und ignorieren den Rest. Beim Investieren kann diese Voreingenommenheit verschiedene Formen annehmen. Wir können uns zum Beispiel an aktuellen Ereignissen orientieren, weil sie zu einem bestimmten Bild passen, anstatt historische Daten zu berücksichtigen (auch bekannt als Aktualitätsvoreingenommenheit). Oder wir könnten unsere Sorgfaltspflicht ignorieren und Vermögenswerte nach ihrem Marktpreis und nicht nach ihrem inneren Wert auswählen, weil wir als Anleger eine gewisse Affinität zu einem bestimmten Asset verspüren. Isolierte Entscheidungen oder ein bruchstückhafter Ansatz sind äusserst problematisch, weil sie die gesamten Zusammenhänge nicht berücksichtigen. Die Folge sind Entscheidungen, die auf Irrtümern beruhen und zu Verlusten führen können.

Wie Sie dies vermeiden können

Versuchen Sie stets, den Vermögenswert zu verstehen, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Suchen Sie nach Gründen, um Ihre Ideen zu widerlegen, anstatt sie zu bestätigen (ähnlich wie bei einer Tendenz zur Selbstüberschätzung). Dies ist der beste Weg, um zu vermeiden, dass Sie in eine Bestätigungsfalle tappen.

Fazit

Wir sind alle nur Menschen. Wir alle sind anfällig für Vorurteile und machen Fehler. So viel steht fest. Minimieren Sie das Risiko, indem Sie sich potenzieller Defizite bewusst sind und sowohl sich selbst als auch die Vermögenswerte, in die Sie investieren, verstehen. Implementieren Sie so viele Tools und Regeln wie möglich, um Voreingenommenheiten aus dem Weg zu räumen und datengestützte Entscheidungen zu treffen.

Wenn Sie einen Fehltritt machen, lassen Sie sich nicht vom Pfad abbringen. Der richtige Weg scheint im Nachhinein offensichtlich, ist aber in dem Moment selten klar erkennbar. Die beste Möglichkeit, sich gegen Voreingenommenheit bei der Entscheidungsfindung abzusichern, ist einerseits, sich dieser bewusst zu werden, und andererseits, Pläne zur Minderung des damit verbundenen Risikos aufzustellen. Ihr Portfolio wird es Ihnen danken.

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